Die unendliche Geschichte der Normalität
Hager und ausgemergelt schleicht er gebückt vom Platz. Seine Augen sinnleer, seine Gestik und Mimik extrem verhalten, seine Mundwinkel sparsam. Das, was aus selbigen kommt: Einzelne Worte. Man kann es erahnen.
Er sagt: „Ich hatte keine besonderen Momente in meiner Karriere. Ich saug alles auf!“
Zurückhaltend wie immer, fast sich schämend, einer der hinten ansteht und wenig spricht, man möchte ihn aufmuntern gut zureden und sagen: „Jung, Kopf hoch wird schon!“
Das ist der erfolgreichste Torschütze bei insgesamt vier Weltmeisterschaften. 16 an der Zahl. Für die Ewigkeit. 36 Jahre, 136 Länderspiele. Der einzige, der da gefährlich werden kann ist Thomas Müller, wenn er noch 8 Jahre dabei ist.
Das ist Miroslav Klose – von allen nur kurz „Miro“ gerufen.
Miro ist einfach da. Wie ein Monument. Er gehört dazu. Er hilft den jungen Spielern in der Standfestigkeit und Disziplin mit seiner Lebenserfahrung. Er spricht Mut zu von der Ersatzbank: Meist saß er da allerdings nie.
Heute reicht die Luft noch 60 Minuten. Die Kopfbälle, die er jahrelang an der mechanischen Leine trainierte, kann er nicht mehr so hoch ansetzen. Aber er ist da. Einfach da. Und trifft!
Unvorstellbar eigentlich, dass Miro irgendwann nicht mehr da ist.
Er hat in den letzten 13 Jahren eine erfolgreiche Ära im deutschen Fußball mitgeprägt und galt den Khediras, den Özils, Boatengs, Höwedes, Hummels und auch Schmelzers immer als Vorbild. Der goldene Jahrgang der 2009, der U21 Europameister wurde und mit Neuer zusammen jetzt sechs Spieler ins Endspiel der WM 2014 gebracht hat.
Niemals klagend, niemals meckernd, niemals sich beschwerend, sondern immer „sein Bestes gebend“.
Unterstützend, tätschelnd, zuhörend! Wertvoller Ratschlag-Geber für die Jungen.
Keine Verletzung hat ihn aufgehalten. Immer kam er zurück. Ob in Kaiserslautern, Bremen, München oder in Rom. Oder in seinem Heimatverein SG Blaubach-Diedelkopf.
Fast immer steht und läuft und passt und schießt er richtig. Und wenn es nicht sichtbar regulär zugeht, gibt er das sofort zu, wie weiland bei Lazio Rom. Letzte Saison. Dafür feiern ihn die Italiener: Für seine Ehrlichkeit.
Das WM Finale wird sein letztes Spiel gewesen sein, auch wenn er es nicht zugeben möchte.
Miro sagt über Löw: „Das Schönste ist, dass er sich überhaupt nicht verändert hat“ und Löw denkt über Miro: „Ein Glück, dass der sich nie verändert hat.“
Komisch, dass die Fußballgemeinde das bei dem einem einfach nur wahnsinnig stark findet und bei dem Anderen wohl nie akzeptieren wird.
Miro – ich verneige mich vor einer Ikone perfekter und hochprofessioneller Normalität.
Darum kann ich mir auch partout nicht vorstellen, dass du irgendwann nicht mehr dabei bist. Auch wenn der Abtritt mit dem WM-Titel jetzt sicherlich leichter fallen wird.