Begeisterung fürs Home Office versus Sehnsucht nach Sozialen Kontakten – Eine neue Studie zeigt die Trends zukünftiger Arbeit auf

Wir haben in den letzten vier Wochen circa 110 Entscheider aus Deutschland nach ihren Erfahrungen im Home-Office befragt. Interessant ist, dass andere Studien zum Beispiel des Fraunhofer-Instituts oder des IFO-Instituts  im Mai 2020 durchgeführt wurden. Dabei wurden 500 resp. 800 Unternehmen und Personalleiter befragt. Unsere Studie ist brandaktuell und zeichnet ein verändertes Bild des Anforderungsmanagements in den Unternehmen. Wir konnten unsere Auswertung sehr gut mit den Aussagen vergleichen und eindrucksanalytisch aufarbeiten und interpretieren.

Hier die Ergebnisse in Kurzform:

 

Erkenntnis Nummer 1: Home Office = Überforderung zu Beginn

Circa 65 % der Befragten waren mit dem spontanen Lockdown der Bundesregierung überfordert. Sie waren nicht für ein virtuelles Arbeiten zu Hause vorbereitet. Sie hatten nicht die zuständigen Räumlichkeiten dafür. Sie kamen vor allen Dingen mit der Familiensituation in Kollision, weil der Partner oder die Partnerin und die Familie gleichermaßen von dem Lockdown betroffen waren. Das heißt, dass Kindergärten und Schulen genauso unzureichend auf das Home Office  vorbereitet waren wie sie selbst. In dieser Gemengelage zu arbeiten war ausgesprochen schwierig. In den ersten drei Monaten gab es einen besonders großen Reibungsverlust. Es wurde vor allen Dingen bemängelt, dass virtuelle Meetings und Arbeitsprozesse oft sehr unprofessionell angegangen wurden. Es wurde zu viel, zu lange  und ohne wirkliche Organisationsstruktur diskutiert. Es fehlten vor allem  gleichermaßen Begeisterung, Vertrauen und Ergebnisorientierung der virtuellen Meetings.

 

„Ich sehe in der Home Office Arbeitszeit keine Vorteile. Vor allem sich international persönlich

nicht  treffen zu können, ist nur negativ“ (Reed Hastings, CEO von Netflix)

 

Erkenntnis Nummer 2: Digitalisierung – ja bitte!

Viele Unternehmen sind in der Welt der umfassenden Digitalisierung noch lange nicht angekommen. Etliche Teilnehmer unserer Befragung bemängelten, dass zum Beispiel nicht alle im Home-Office befindlichen Mitarbeiter sich gleichzeitig in das Netz einschalten könnten. Eine schlecht abgesicherte und schmalbandige Internetverbindung erschwert es den Mitarbeiter, sich von zu Hause einzuwählen. Dazu kommen kriminelle Gruppen, die nun viel offener Cyberangriffe starten können. Das bedeutet, dass in einem solchen Fall in Etappen zeitversetzt gearbeitet werden musste. Besonders bei mittelständischen Unternehmen, Genossenschaftsunternehmen und öffentlichen Einrichtungen war das der Fall. Da sind die großen Unternehmen im Vorteil, zum Beispiel SAP und Siemens. Sie arbeiten seit Jahren schon wechselweise mit Home-Office Möglichkeiten. Diese Unternehmen konnten und können ein Lockdown viel besser wegstecken als Unternehmen, die zum ersten Mal im vollen Umfang ins Home-Office gehen. Genauso wie Software Firmen, die grundsätzlich mit den Anforderungen der digitalen Welt gewachsen sind.

 

„Die Präsenzpflicht ist eine überholte Tradition, die aus den Anfängen der industriellen Revolution stammt“ (Prof. Nicholas Bloom, Stanford University)

 

Erkenntnis Nummer 3: Begeisterung vs. Sehnsucht

Anfänglich war die Begeisterung für das Home-Office relativ hoch, aber nahm und nimmt mit der Zahl deutlich ab. Der Großteil der Mitarbeiter haben erkannt, dass sich dauerhaft etwas ändern wird, aber je länger der Lockdown und auch das Home-Office zu Hause manifestiert wird, haben Sie den Wunsch ins Office zurück zu kommen. Jeder Zweite sagte, dass er sich durchaus vorstellen kann einen gewissen Teil zu Hause zu arbeiten, aber grundsätzlich das Zusammentreffen in der Firma unerlässlich bleiben wird. Zu Beginn des Home Office schätzten viele kurze Wege und  nicht mehr lange Anfahrtszeiten in Büro. Demgegenüber bemängelten zwei Drittel der Befragten den fehlenden direkten Kontakt zu Kollegen und äußerten die Sorge, nicht ausreichend in die Informationsketten eingebunden zu sein. Auch haben wir nach den Arbeitszeiten des Arbeitstages gefragt. Zu Beginn morgens war die Motivation besonders hoch. Diese ließ über den Tag genauso nach wie das Zeitmanagement und der persönliche Einsatz. Die Einflussfaktoren zu Hause sind  nicht zu unterschätzen. Immerhin 48 % der befragten Teilnehmer sagte, dass die Verantwortung für die gesamten neuen Abläufe zu einem großen Teil  von einem selbst kommen müsste. Nach einem zweistündigen virtuellen Meeting erlahmt die proaktive Teilnahme enorm. Hier kommt es stark auf die Teilnehmerzahl und die Unternehmensstruktur an.

 

Erkenntnis Nummer 4: Training ist unerlässlich

Ein Großteil der Befragten forderte ein festes Regelwerk für virtuelle Arbeit. Zum Beispiel wurden folgende Fragen thematisiert:

Wie sind die Arbeitszeiten geregelt? Gibt es eine Kernarbeitszeit? Wie läuft die Dokumentation? Wer entscheidet, wo gearbeitet wird? Wer zahlt die Ausstattung? Welche Steuervorteile gibt es? Ist man im Home Office versichert? Wie steht es um die Arbeitsschutzverordnung? Welche Kommunikationsregeln gelten im Chat, in der Videokonferenz, im Feedback Management und im Schnittstellen Management? Wie wird mit Fehlern oder Konflikten zwischen den einzelnen Chatmitgliedern umgegangen? Hier sehen über 70 % des Befragten unmittelbaren Handlungsbedarf.

 

 

Erkenntnis Nummer 5: Home Office schafft Einsamkeit

Circa 75 % der Befragten bemängelten die fehlende soziale Bindung. Das bedeutet unter anderem der direkte Kontakt mit den Kollegen. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit im Büro. Die normalen sozialen Kontakte vor Ort oder die bekannten „Küchen-Gespräche“. Besonders die Befragten aus dem Bereich Vertrieb wünschen sich dringend den direkten Kontakt mit dem Kunden. Meetings beim Essen, Lesen in den Gesten und der Mimik des Gegenübers, Aufnahme der Stimmungen. Alles extrem wichtige Punkte, um Kommunikation und Kaufentscheidungen viel besser zu beurteilen. Das ist virtuell nur schwer möglich.

„Wir sind soziale Wesen, es würde mich wundern, wenn jemand, der sich im Team wohlfühlt, künftig komplett zu Hause bleibt, wir werden  eine neue Präsenz-Qualität  bekommen aus Teamarbeit und Erlebniswelten“ (Cawa Younosi, SAP-Personalchef)

 

 

Erkenntnis Nummer 6: Das Home Office wird fester Bestandteil der Arbeitswelt

Mehr als die Hälfte der Beteiligten ist der Meinung, dass man einen bestimmten Anteil an Home-Office für die Zukunft benötigt. Entweder eine 4:1 oder 3:2 Regelung. Voraussetzung dafür ist aber die Chat-Zusammenarbeit und deren Folgen der Arbeitsdokumentation und Umsetzung in ein neues Regelwerk zu kleiden. Damit sind viele Mitarbeiter und auch Führungskräfte überfordert. Eine virtuelle und Präsenz-Struktur komplett neu organisatorisch aufzustellen, darin sehen 74% der Befragten eine der Hauptaufgaben, um zukünftig eine verlässliche Mischform der Kommunikation zu schaffen. Momentan befinden sich viele Unternehmen noch in der Start – und Lernphase mit hohen Verschleißzeiten und ungelösten Herausforderungen.

 

 

Erkenntnis Nummer 7: Führungskräfte benötigen Unterstützung

Aufgrund der neuen Situation ist es unerlässlich, die Führungskräfte in ihrem Verhalten gegenüber Mitarbeitern und der zweiten Linie zu stärken. Es wurde deutlich, dass klar strukturierte Schnittstellen, feste Anweisungen und Besprechungen unerlässlich sind um hier operative Ergebnisse zu erzielen. Wie wird das Wissen z.B. in den beteiligten Teams verteilt?  Wer hat Hol- und Bringschuld bei der Projektarbeit? Das ist besonders dem Umstand geschuldet, dass der im Prinzip abgeschlossene Raum des Büros nicht vergleichbar ist mit einer Situation im Home-Office, die durch Familienmitglieder und Ablenkungen ganz anders gestaltet sind. Hier bedarf es einer komplett neuen Organisationsform wie man miteinander anfänglich kommuniziert, analysiert, Anforderungen austauscht, gemeinsame Lösungen bespricht und diese dann auch entsprechend umsetzt. Die befragten Teilnehmer sehen die Rolle der Führungskraft vor neuen Herausforderungen, denn präsent ist nicht virtuell. Ein virtueller Führungsstil muss noch mehr die individuellen Herausforderungen der Teammitglieder beleuchten. Über die Hälfte nannten Einfühlungsvermögen, Empathie, Verständnis und eine  neue Moderationsfähigkeit als wichtige „ lessons learned“  für die Führungskräfte. Ihnen kommt offenbar ein sehr hohes Maß an Verantwortung zu, den Spagat zwischen Home-Office und Büroarbeitsplatz zu managen.

 

 

Fazit & Folgerungen:

Das Home Office an sich steckt mit all seinen Herausforderungen noch in den „Kinderschuhen“. Die New Economy hat hier einen großen Vorsprung vor der Old Economy. Es bedarf  einer konzentrierten Aktion von Politik, Wirtschaft und Bildungseinrichtungen. Die digitale Grundausstattung muss dringend angepasst werden in den Unternehmen und im Home-Office. Überraschend klar forderten die befragten Teilnehmer ein festes kommunikatives Regelwerk  für die Gesamtabläufe. Fast 80 % sehen großen Handbedarf in der virtuellen Führung. Mitarbeiter benötigen offensichtlich einen erweiterten Methodik-Baukasten. Hier sehen die Befragten einen hohen Handlungsbedarf in den Unternehmen Zeit & finanzielle Mittel in die Hand zu nehmen, um entsprechende Schulungen durchzuführen. Der Wunsch nach sozialen Bindungen war enorm hoch und verstärkte  sich offenbar von Mai bis Oktober 2020 deutlich. Jobs die bisher schon stark im Homeoffice unterwegs sind (Software-Lösungen/Versicherungen/Consultants/Vertrieb) sind da bereits geschulter und resistenter. Besonders in kreativen Berufen ist der Wunsch hoch, sich mehr und mehr in den Unternehmen zu treffen. Auch wenn das Home Office in absehbarer Zeit sicherlich eine hohe Priorität einnehmen wird, müssen die Gesamtabläufe (die sicherlich in den Unternehmen unterschiedlich sind) völlig neu gedacht und einstudiert werden. Die Gewohnheitsschleifen der „alten“ Präsenzkultur sind out. Große Unternehmen wie Bayer und Eon arbeiten an „virtuellen dreidimensionalen Studios“. Doch den direkten  Austausch  mit Kollegen wird es auch in absehbarer Zeit verstärkt geben. Meinungen, Haltungen, Stimmungen, und das berühmte „Reinhorchen“ in die Kollegen und besonders auch Kunden sind nicht allein virtuell möglich (das betrifft vor allem neue Kollegen und  neue Kunden). Nachdem die Tourismusindustrie, das spezielle Messe-, Event- und Veranstaltungsgeschäft fast zum Erliegen gekommen ist wünschen sich fast alle befragten  Teilnehmer endlich wieder direkte Begegnungen mit Neukunden!

Befragt wurden 110 Führungskräfte  im August 2020 u.a. aus den Bereichen Chemie, Energie,  Software, Stahl, Medizin & Medizintechnik, Consulting & Vertrieb, öffentliche Behörden, Banken, Versicherungen, Automobilwirtschaft , Berufsgenossenschaften sowie Consultants.

 

Hier das Interview über die Studie im Hitradio SKW:

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